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Brücken zerstörungsfrei prüfen
Deutschlands Brücken sind derzeit in aller Munde – jahrelang angeblich vernachlässigt haben sie mittlerweile den Ruf, marode und deshalb in der Erhaltung teurer als angenommen zu sein. Was ist dran an diesen Aussagen und wie wird der Zustand einer Brücke heute bewertet? Welche Rolle können etablierte und moderne zerstörungsfreie Prüfverfahren bei der Sicherheitsbewertung zukünftig spielen? In der Schweißtechnischen Lehranstalt in Magdeburg wurde kürzlich darüber berichtet und verständliche Antworten gegeben.
Magdeburg. Marode Brücken, soweit man schaut. Zumindest entsteht dieser Eindruck, wenn man wie am Beispiel der Carolabrücke nach Dresden blickt. Oder nach Bad Schandau, wo die Hauptverkehrsader als Wirtschaftsweg über die Elbe wegen Schäden gesperrt wurde. In Magdeburg sieht es an so mancher Stelle nicht besser aus.
Was heute Sorgen bereite, sei aber keinesfalls nur ein Phänomen der Gegenwart – nein, Brückeneinstürze und Schäden habe es in der Geschichte dieser Bauwerke schon immer gegeben, führte Horst Männel vor knapp 70 Fachleuten, Expert*innen und Unternehmer*innen aus der Stahlbaubranche beim Arbeitskreis Magdeburg aus. Für Männel, der zu seiner aktiven beruflichen Zeit als verantwortlicher Schweißfachingenieur auf der ganzen Welt Brücken gebaut hat, steht fest: „Schäden oder gar Einstürze sind oft durch das Nichtbeachten von Vorschriften und die Missachtung der Bau- und Brückenüberwachung selbstverschuldet, was im schlimmsten Fall zur Katastrophe führt.“
Dr. Sascha Feistkorn von der DGZfP ist davon überzeugt, dass wir nach dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden zukünftig Einiges besser machen können. Der Experte leitet in der DGZfP seit 2022 die Schulungen in der ZfP im Bauwesen (ZfPBau) und war an der Erarbeitung der Anforderungen, Schulungskonzepte und -inhalte beteiligt.
Die Welt des Stahl- und Spannbetons macht etwa 85 Prozent im Brückenbau aus. Die Bauwerksprüfungen erfolgen nach DIN 1076, welche die Untersuchungen in Form einer regelmäßigen visuellen und handnahen Prüfung regelt. In der Praxis werden die Bauteile u. a. flächig mit dem Hammer abgeklopft und so nach Hohlstellen und Abplatzungen untersucht. Warum? Weil diese beispielsweise Anzeichen von Korrosion darstellen können, die aufgrund der damit einhergehenden Volumenvergrößerung des Stahls zu Ablösungen des Betons führt.
Diese Art der Prüfung ist dabei allerdings auf die oberflächennahen Bereiche beschränkt. Ergänzende zerstörungsfreie Untersuchungen generieren jedoch zusätzliche Informationen aus dem „Inneren“ der Bauteile. Werden diese zerstörungsfreien Prüfungen nicht nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei unklaren Schadensbildern, sondern regelmäßig durchgeführt, könnten die Informationen den Bauwerkszustand präziser beschreiben und gegebenenfalls für eine erforderliche Sicherheitsbewertung herangezogen werden.
Zudem mache es ein auftretendes Schadensbild in der Praxis schwer, Schäden visuell zu erkennen. „Wenn Chloride durch gestreute Tausalze tief in ein Bauwerk eindringen und punktuelle Lochkorrosion verursachen, korrodiert der Stahl in einem sehr kleinen Bereich ohne äußere Anzeichen. Wenn diese Chloride dann bis an die tragenden Einbauteile wie zum Beispiel die Spannglieder vordringen und diese dann lokal durchrosten, kann es unter ungünstigen Umständen schlimmstenfalls zum schlagartigen Versagen ohne Vorankündigung kommen“, erläutert Feistkorn.
Um all dem künftig effizienter vorzubeugen, seien ergänzende Untersuchungen mit zerstörungsfreien Prüfverfahren wie Radar und Ultraschall durch geschultes Personal nach strukturierten Prüfanweisungen ein richtiger Schritt, ist sich der Experte sicher. So genannte Prüfanweisungen, die derzeit in der Praxis noch nicht etabliert sind, sollten künftig die Basis für vergleichbare und reproduzierbare Ergebnisse bilden.
Die derzeit große Unsicherheit durch das Prüfpersonal kann ergänzend durch einheitliche theoretische und praktische Schulungen nach geltenden Regelwerken auf ein Minimum reduziert werden. Wenn ein Bauwerk durch den Einsatz von zerstörungsfreien Prüfsystemen dann in seinem Ist-Zustand präziser beschrieben werden würde, könne das Bauwerk perspektivisch auch anhand des wahren Zustands nachgerechnet werden.
Dafür sollte die Zerstörungsfreie Prüfung im Lebensdauerzyklus eines Bauwerks präsenter sein und im Sinne von präziser Zustandserfassung und bedarfsgerechter Instandhaltung etabliert werden. So habe man mit der Zerstörungsfreien Prüfung also einen Ansatz, der dafür sorgen könne, dass man eben nicht mehr wegen gesperrter Brücken entweder im Stau stehe oder lange Umwege in Kauf nehmen müsse.
Ein Schlüssel zum Erfolg stelle an erster Stelle das Prüfpersonal dar. Wenn Sie erfahrenes und geschultes Personal haben, kommen Sie auch unter schwierigen Randbedingungen zu einer zuverlässigen Prüfaussage. Wenn Sie andererseits zwar die bestmögliche Prüftechnik haben, geht das ohne Personalqualifikation und ohne Erfahrung mit Sicherheit in den meisten Fällen schief.
Um dem zukünftigen Bedarf an qualifiziertem Personal nachzukommen, zieht die DGZfP gerade mit genau diesem Schulungsthema von Berlin nach Magdeburg. Feistkorn: „Wir bauen in Rothensee bereits ein weiteres Schulungsgebäude. Hier wird ein Ausbildungszentrum entstehen, welches Spezialistinnen und Spezialisten genau für diese Art von zerstörungsfreien Betonprüfungen ausbilden wird. So setzen wir die normativen Forderungen der DIN 4871 an die Ausbildung von ZfPBau-Prüfpersonal um. Schulungsanfragen erreichen uns mittlerweile nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus dem Ausland, um außer Brücken auch Staudämme oder Kernkraftwerke qualifiziert prüfen zu können. Das Ausbildungszentrum in Kombination mit neuen Lernformen wie dem E-Learning wird einzigartig in Deutschland sein. Mitte dieses Jahres soll es losgehen.“